Gänseblümchen

Daisyworld  

die Gänseblume                         engl.:  daisy                       wiss.: Bellis perennis

 

 

Um diesen Abschnitt  verstehen zu können, sollte das Kapitel Einführung in die Numerik zuerst behandelt werden! Dieser Abschnitt eignet sich auch  als fächerübergreifende Einheit in Mathematik, Biologie (theoretische Ökologie) oder Physik.

 


Die schwarze Variante
ist relativ selten, da sie in
der Natur nicht vorkommt.
Dennoch findet man
mitunter ihr  Bild
im Internet. :-)
Ein Gänseblümchen in der weißen Variante.  Ein Gänseblümchen in der schwarzen Variante.  
 

 
 

Wieso, weshalb, warum? - Daisyworld

 

 

Daisyworld (Gänseblümchen-Welt) ist ein theoretisches Modell, das von Lovelock und Watson entwickelt wurde, um die Gaia-Theorie zu untermauern.  Die Gaia-Theorie wurde von der Mikrobiologin Lynn Margulis und dem Physiker James Lovelock entwickelt.

Was ist die Gaia-Theorie?

 Hören wir uns an, was MEPHISTOPHELES dazu sagt:

Wer will was Lebendiges erkennen und beschreiben,
Sucht erst den Geist heraus zu treiben,
Dann hat er die Teile in seiner Hand,
Fehlt, leider! nur das geistige Band.

Goethe - Faust I

Genau diese Vorgehensweise, die ein zu untersuchendes System in seine Einzelteile zerlegt, um eben diese dann auch einzeln zu untersuchen, kritisiert Lovelock.  Die Erforschung emergenter Eigenschaften - das sind Eigenschaften, die nur im komplexen Zusammenspiel aller Einzelteile in Erscheinung treten - ist mit diesem Ansatz nicht möglich. Lovelock und Margulis Augenmerk galt  deswegen dem Gesamtsystem. Unter Gesamtsystem wird dabei gleich die Erde inklusiv allem Leben auf der Erde verstanden. Nach der Gaia-Theorie ist die Erde selbst ein lebender Organismus. Die Erde bildet zusammen mit allen Lebewesen ein komplex interagierendes Netzwerk.
Die moderne Physik hat erst kürzlich damit begonnen, Eigenschaften interagierender Systeme systematisch zu untersuchen. Forschung im Bereich der Chaostheorie, selbst organisierte Kritizität, Fraktale, neuronale Netze, nicht lineare Systeme etc... oder einfach die Physik der komplexen Systeme sind hoch aktuell.
Lovelock ist mit seiner Theorie teilweise auf erhebliche Kritik seiner Kollegen gestoßen. Um genauer zu erklären, was Lovelock eigentlich meinte, entwickelte er die Daisyworld.

Daisyworld
Die Daisyworld ist ein relativ einfaches komplexes System. Es besteht lediglich aus vier Komponenten:
  1. Eine Sonne, die dank ihrer Wärme (abgestrahlte Energie) Leben spenden kann.
  2. Ein Planet, der die Sonne umkreist.
  3. Eine Population von weißen Gänseblumen.
  4. Eine Population von schwarzen Gänseblumen.
Der Modellcharakter kommt schon darin zum Ausdruck, dass es schwarze Gänseblumen gar nicht gibt. Dennoch gelang es Lovelock und Watson mit diesem Modell große Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Damit Leben auf dem Planeten existieren kann, ist es notwendig, dass die Temperatur des Planeten in einem Bereich liegt, der es möglich macht, dass sich Leben entwickeln kann (Abbildung 1).  Ein Planet ohne Leben wird umso heißer, je größer die Sonneneinstrahlung wird.
In der Entwicklungsgeschichte der Sonne, hat die Sonnenleuchtkraft schon um ca: 25% zugenommen, ohne dass sich die Temperatur der Erde dabei wesentlich erhöht hat. Wie lässt sich das erklären?
Lovelock u. Watson zeigten in ihrem Modell, dass es möglich ist, die Temperatur in Abhängigkeit von der Sonneneinstrahlung in einem großen Bereich konstant zu halten. Notwendig dafür ist die Existenz zweier Gänseblumenarten (Abbildung 2), die Aufgrund ihrer unterschiedlichen Eigenschaften in der Lage sind, die Gesamttemperatur des Planeten in der Nähe ihrer eigenen optimalen Wachstumstemperatur zu stabilisieren. Mit lediglich einer Blumenart war es nicht möglich, die Temperatur des Planeten in Abhängigkeit der sich veränderten Sonneneinstrahlung so kontrolliert konstant zu halten. Als Lovelock dann zusätzliche Gänseblumenarten und Lebewesen (Füchse, Kaninchen...) hinzufügte, machte er die Entdeckung, dass sich das System sehr  stabil verhält. Dieses wertete er als starkes Plädoyer für die Artenvielfalt.
Bevor Lovelock zeigen konnte, dass die Regulierung der Planetentemperatur, eine wie er sagte System emergente Eigenschaft ist und sich auf dem interagierenden System ergibt, wurde der Gaia-Theorie vorgeworfen, sie sei teleologisch.
Als teleologisch könnte hier  z.b. gelten, dass wie durch ein Wunder die Temperatur der Erde gerade derjenigen entspricht, die notwendig ist, damit sich Leben entwickeln kann.



 
Abbildung 1: Die Grafik zeigt den Einfluss der Sonneneinstrahlung auf die Temperatur eines Planeten im Daisyworld Modell. Die hellgraue Kurve ist der Temperaturverlauf ohne Leben.  Hier gilt. umso höher die Sonneneinstrahlung ist, desto höher ist auch die Temperatur des Planeten. Damit findet  in diesem Szenario keine Selbstregulation statt. Gänzlich anders verhält es sich (grüne Kurve), wenn wir Leben zulassen. Leben heißt hier, dass  zwei Gänseblumenarten, die um den zur Verfügung stehenden Boden in Konkurrenz stehen, existieren.  Mit Leben entwickelt sich nun das Gesamtsystem (Planet + Blumenpopulationen)  in einem Zustand, der es dem Planet  ermöglicht, fast unabhängig von der Sonneneinstrahlung die Temperatur nahe der optimalen Wachstumstemperatur der beiden Blumenarten zu halten. Bei einer Sonneneinstrahlung von ≈1.6 ist es für die Blumen zu heiß und sie sterben aus. Ab diesem Wert entspricht der  Temperaturverlauf daher dem ohne Leben.  


 
Abbildung 2: Dargestellt ist die Änderung der beiden Gänseblumenpopulationen in Abhängigkeit der Sonneneinstrahlung. Wenn es kalt ist, ist der Anteil der schwarzen Gänseblumen wesentlich höher als der Anteil der weißen Blumen. Mit zunehmender Sonneneinstrahlung schwindet der Anteil der schwarzen Gänseblumen zugunsten der weißen Gänseblumen. Ab einer Sonneneinstrahlung von 1.6 ist es für beide Populationen nicht mehr möglich zu überleben. Damit ist die Selbstregulation des Gesamtsystems (Planet + Blumenarten) zusammengebrochen.  

Der nächste Abschnitt erklärt die physikalischen Grundlagen, die notwendig sind, um das Modell zu verstehen.

Physikalische Grundlagen

Dieser Abschnitt erklärt die Albedo und das Stefan-Bolzmann-Gesetz.  Beides spielt in der Daisyworld eine  wichtige Rolle.

 

Die Albedo

Als Albedo (Rückstrahlvermögen) bezeichnet man die Fähigkeit eines Körpers, auf ihn einfallende Strahlung wieder zu reflektieren. Die Albedo ist damit ein einfacher Zahlenwert zwischen 0 und 1. 
  • Ein Körper mit einer Albedo von 1,  reflektiert die Gesamte auf ihn auftreffende Strahlung (perfekter Reflektor).
  • Ein Körper mit einer Albedo von 0,  absorbiert die Gesamte auf ihn auftreffende Strahlung und reflektiert demnach nichts (perfekter Absorber).

Frisch gefallener Schnee hat  eine Albedo von 0.8 ~ 0.90, d.h. bis zu 90% der einfallenden Strahlung werden wieder reflektiert. Dadurch heizt sich der Körper (in diesem Fall der Schnee) nicht so schnell auf.

Dunkler Asphalt hat eine Albedo von ~ 0.15, d.h lediglich 15% der einfallenden Strahlung wird reflektiert. Deswegen ist der Asphalt im Sommer natürlich auch recht warm.


Allgemein gilt:
  • Dunkle Körper haben eine niedrige Albedo und sind wärmer, als helle Körper.
 
   ←  Albedo fällt ab  (Körper werden wärmer)
 
           Ab <   Ag <  Aw  
                    Albedo steigt an ( Körper werden kälter)  

Im  Daisyworld-Modell müssen die Albedos der weißen Gänseblumen, der noch  p { margin-bottom: 0.21cm; }

unbewachsenen  Fläche der Erde und der schwarzen Blumen berücksichtigt werden.

Bezeichnen wir die Albedo der weißen Gänseblumen mit Aw , die der unbewachsenen Fläche mit Ag und die der schwarzen Blumen mit Ab  dann folgt unabhängig von den tatsächlichen Werten für die Albedo aus dem bereits gesagten:

Ab  <   Ag <  Aw

Die Indizes stehen für (b=black, g=ground und w=white).

Das Stefan-Bolzmann-Gesetz

E = Energie,  hat die Einheit J (Joule)
P = Leistung (engl. Power) ist Energie/Zeit, hat die Einheit Watt:  1 W = 1 J/s.
I = Intensität, die auf eine Fläche bezogene Leistung (Energiefluss)
 , hat die Einheit W/m2 bzw. J/(s · m2 )
Jeder Körper strahlt Energie ab.  Dabei gilt: Umso heißer der Körper ist, desto mehr Energie wird abgestrahlt. 
Das Stefan-Bolzmann-Gesetz beschreibt nun den genauen Zusammenhang zwischen der Energieabstrahlung eines Körpers und die dafür notwendige Temperatur. Interessanterweise hängt die abgestrahlte Energie sehr empfindlich von der Temperatur ab. Verdoppelt man z.B. die Temperatur eines Körpers (streng genommen werden ideale Körper betrachtet, worauf wir aber hier nicht eingehen wollen) dann wird die abgestrahlte Energie 16-mal so groß. 

Das Stefan-Bolzmann-Gesetz lautet:
  \( I = \sigma \cdot T^4 \)


Hier ist I die abgestrahlte Energie pro Zeit und Fläche (Einheit: W/m2). T ist die Temperatur in Kelvin, sie geht mit der vierten Potenz ein. Und σ eine Konstante mit dem Zahlenwert σ=5.67032·10-8  W/(K4m2). Diese Konstante heißt auch Stefan-Bolzmann-Konstante.  
 
 

Berechnung der Oberflächen Temperatur der Sonne.
 
 
Auf einen Quadratmeter Erde erreicht uns in jeder Sekunde eine Sonnenenergie von 1367 J. Dies bezeichnet man als Solarkonstante  S= 1,367 kW/m2 . Hierbei handelt es sich natürlich um einen Mittelwert. Der Abstand Erde-Sonne beträgt 150·106 km, der Sonnenradius ist  R = 6,963·108m,
Wie groß ist die Temperatur der Sonne?  Lösung

 
 

Das Modell

In Daisyworld konkurrieren zwei Blumenpopulationen um die noch frei zur Verfügung stehenden Platz, dabei beziehen sie  ihre Energie von der Sonne.
Die Sonne liefert die Energie die zum Überleben der zwei Gänseblumenarten notwendig ist.  Aber die Sonneneinstrahlung ist nicht konstant. Im laufe ihre Entwicklung nimmt die Sonneneinstrahlung immer mehr zu. Ein Planet, auf dem Leben herrscht, muss mit dieser Herausforderung fertig werden. Die Temperatur des Planeten hängt von der Albedo A des Planeten ab. Diese Albedo setzt sich aus den drei Albedos der weißen Blumen, der schwarzen Blumen und der grauen Fläche zusammen. Die graue Fläche ist die für die Pflanzen noch frei zur Verfügung stehenden Fläche. Die Anteile dieser Flächen können sich verändern, je nachdem wie sich die Blumenpopulationen entwickeln.

In den folgenden Abschnitten werden alle Gleichungen im Detail beschrieben, die notwendig sind, um das System zu beschreiben. Im darauf folgenden Abschnitt wird dann ein Algorithmus angegeben, um die Daisyworld  zu simulieren.

Populationsgleichungen

 
Daisyworld beherbergt schwarze und weiße Gänseblumen, die ihre optimale Wachstumstemperatur bei 22.5 °C haben.  Die Blumen unterscheiden sich in ihrer Albedo. Die Albedo der unbewachsenen Fläche des Planeten ist größer als die der schwarzen, aber kleiner als die der weißen Blumen.
Die Gleichungen, die die Änderungen der Gänseblumenpopulationen beschreiben lauten:
w/dt = αwgβ(Tw) - γ) (1)
b/dt = αbgβ(Tb) - γ) (2)

Die Bezeichnungen sind der Tabelle 1 zu entnehmen. In Worten lauten Gl. (1), dass die zeitliche Änderung der weißen Gänseblumen ( w/dt ) proportional zur jeweils vorhandenen Anzahl w) der Blumen ist. β(Tw) ist die Wachstumsrate; sie ist temperaturabhängig. Die Abhängigkeit von der noch unbewachsenen Fläche αg  ist ebenfalls berücksichtigt. γ ist  eine Konstante, die die Sterberate modelliert. Es gilt dann, dass der Faktor - γ·αw  die Abnahme der Population beschreibt.  Der Faktor  αw αgβ(Tw) bestimmt, wie die Population in jedem Zeitschritt (dt) zunimmt. 
Entsprechendes gilt für Gl. (2).

Wir fassen zusammen: Die Änderung der Blumenpopulation werden durch ein Differentialgleichungssystem beschrieben.
Die Blumen sind  abhängig von der noch frei zur Verfügung stehenden Fläche αg und einer temperaturabhängigen Wachstumsrate β.  Die gesamte zur Verfügung stehende Fläche ist auf 1 normiert, d.h.

αg + αb + αw= 1 (3) 


 

Die Wachstumsrate

Die Wachstumsraten der Gänseblumen hängt nur von der Temperatur ab. Wenn es zu kalt ist (ab 5 ° C abwärts), kann kein Wachstum mehr stattfinden.  Wenn es auf dem Planeten 40° C  und heißer wird, ist es für die Gänseblumen zu lebensfeindlich und es findet abermals kein Wachstum mehr statt. Die optimale Wachstumstemperatur liegt für die Blumen bei  22.5°C. Die Wachstumsrate β(T) ist eine Zahl zwischen 0 und 1.  0 bedeutet kein Wachstum und 1 bedeutet optimale Wachstumsbedingungen.

Der Graph der Funktion β(T). Die Wachstumsrate nimmt Werte zwischen 0 (bei 5 °C und 40 °C) und 1 (bei 22.5 °C) an.

 


Aus dem oben erwähnten Bedingungen folgt für die Wachstumsrate β(T) :
 


In dieser Form muss T in °Celsius eingegeben werden.

In der Simulation verwenden wir alle Gleichungen in einer Form, die als Eingabe die Temperatur in Kelvin erwarten, als Umrechnungsfaktor verwenden wir 0 °C = 273 Kelvin.

Mit dieser Konvention  lautet die Formel dann:

(4)



 mit  1/17.52  ≈ 0.003265

 
Leiten Sie  ausgehend von den oben erwähnten Bedingungen für die Wachstumsrate die Gleichung für β(T) her.
 



Planetentemperatur und die Rolle der Albedo



In diesem Abschnitt leiten wir die Formel Gl. (5) her. Diese Formel ermöglicht die Berechnung der Temperatur des Planeten in Abhängigkeit der Albedo A.
(5)  

 
T ist die Temperatur des Planeten. S0 und σ sind Konstanten.  L ist eine Zahl,  (0.6 ≤ L ≤  1.65) die es uns ermöglicht, die Änderung der Sonneneinstrahlung zu modellieren.  Auch unsere Sonne wird  ihre Sonneneinstrahlung in den nächsten Millionen Jahren weiter erhöhen. Für L = 1 beschreiben wir die Sonneneinstrahlung zum jetzigen Zeitpunkt, dementsprechend beschreiben wir mit L > 1 die zukünftige Sonneneinstrahlung.  A ist die Albedo des Planeten, auf die weiter unten genauer eingegangen wird.


Die Temperatur des Planeten bleibt dann konstant, wenn die pro Zeit eingestrahlte Energie (PEIN ) genauso groß ist wie die pro Zeit abgestrahlte Energie (PAUS) (Abbildung 3).

PEIN = PAUS  


Die von dem Planeten abgestrahlte Intensität können wir mithilfe des Stefan-Bolzman-Gesetzes angeben,  dabei gilt  IAUS= PAUS / m2 :

IAUS = σ · T4  



Hierbei ist T die Temperatur des Planeten.

Im dynamischen Gleichgewicht muss die pro Zeiteinheit (das ist die Leistung) eingestrahlte Energie genau so groß sein, wie die pro Zeiteinheit abgestrahlte Energie, denn wäre z.B. die eingestrahlte Leistung größer, würde sich der Planet immer mehr erwärmen.
Wenn die Erde die gesamte von der Sonne abgestrahlte Energie aufnehmen soll, dann müssen alle Strahlen senkrecht auf die Erde fallen. Das ist aber nicht der Fall und somit kann die Erde letztlich nur mit seiner Querschnittfläche (π· R2) die von der Sonne abgestrahlte Energie aufnehmen.
Ein Teil dieser aufgenommen Energie wird unmittelbar reflektiert (rote Pfeile). Der andere Teil (blaue Pfeile) wird durch Wärmestrahlung abgegeben. Die Wärmestrahlung erfolgt von der gesamten Oberfläche der Erde.
Abbildung 3


Um einen Ausdruck für die eingestrahlte Leistung (PEIN) zu erhalten,  wird die Solarkonstante S0 benötigt. Die Solarkonstante taucht jetzt als Produkt mit dem zusätzlichen Parameter L auf. Der Parameter L ermöglicht es, die veränderte Sonneneinstrahlung zu modellieren. 

IEIN = ( 1 - A ) L S0  



Hierbei wurde die Albedo A des Planeten eingeführt.  Da die Albedo A den Anteil beschreibt der reflektiert wird, beschreibt  der Faktor (1-A)  denjenigen Anteil, der nicht reflektiert  wird und somit auf dem Planeten trifft. Die eingestrahlte Intensität ist also derjenige Teil der Sonneneinstrahlung, der nicht reflektiert wird.

 Um die Albedo  A des Planeten berechnen zu können, ist es notwendig  zu wissen, wie groß der jeweilige Anteil von weißen Blumen, schwarzen Blumen bzw.  der noch unbewachsen Fläche ist. Die Albedo des Planeten ist dann das gewichtete Mittel, das sich aus der jeweiligen Flächenanteile multipliziert mit der zugehörigen Albedo berechnet

 A = αg Ag + αb Abw Aw (6)


 

 Die Albedo A bestimmt damit also indirekt die Planetentemperatur. Da die Albedo A von αg,αb und αw abhängig ist, können auf diese Weise die Blumenpopulationen auf die Planetentemperatur einwirken.
Wir erinnern an den Zusammenhang zwischen Leistung P und Intensität I:   P = I · Fläche.

Aus Abbildung (3) folgt nun:

PEIN = IEIN ·  π  · R2   
PAUS = IAUS ·  4 · π  · R2  



Durch das Gleichsetzen der obigen Ausdrücke und das Einsetzen der Intensitäten, erhalten wir schließlich  Gl. (5) (bitte unbedingt nachrechnen):
  IEIN = 4 IAUS  ⇒ ( 1 - A ) L S0 =  4 σ · T4      

  (5)

Die lokalen Temperaturen und der Transportparameter R

 


Die lokalen Temperaturen Tb , Tw und Tg  sind die jeweiligen Temperaturen der weißen und schwarzen Blumen, sowie der unbewachsenen Fläche.  Schwarze Blumen haben aufgrund ihrer Albedo eine höhere Temperatur als die weißen Blumen. Da die Wachstumsrate β(T)  von der Termperatur abhängt, wirken sich die
lokalen Temperaturen auf die Entwickung der Populationen aus. Der Anteil der Blumenpopulationen wird für die Berechnung der Albedo A des Planeten benötigt. Die Albedo A bestimmt wiederum die Temperatur des Planeten. Die verschiedenen (lokalen) Temperaturen können sich mit der Zeit angleichen, da sie durch  Wärmetransport miteinander verbunden sind.  Wie gut (schnell) dieser Temperaturausgleich ist, wird dabei durch den Parameter  R bestimmt. Der Parameter R kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen.

 Betrachten wir die folgende Gleichung um die Wirkung des Parameters R  auf die lokale Temperatur Tw zu untersuchen:
Tw4 = R(1-Aw) L S0
4 σ
+(1-R)(1-A) L S0
4 σ
(A1)
Für Tb und Tg  verläuft die Argumentation völlig analog, deswegen gehen wir in diesem Abschnitt immer von Gl. (A1) aus. Die Gleichungen für Tb und Tg  lauten:          
Tb4 = R(1-Ab) L S0
4 σ
+(1-R)(1-A) L S0
4 σ 
(A2)
Tg4 = R(1-Ag) L S0
4 σ
+(1-R)(1-A) L S0
4 σ 
 (A3)        

Um  sich Gleichungen die durch einen Parameter gesteuert werden zu veranschaulichen, betrachtet man häufig  wie sich die Gleichung für die Randwerte  des Parameters verhalten.  Für Gl. A1 bedeutet das, dass der Fall R=0 und R=1 von besonderem Interesse ist:
Wir untersuchen  zuerst den Fall R = 0, aus  der Gleichung folgt dann:

Tw4 =   (1-A) L S0
4 σ
 
Diese Gleichung ist identisch mit Gleichung 5. Es gibt jetzt keinen Unterschied zwischen den Temperaturen mehr:      Tw =Tb =  T.  Wenn es keinen Unterschied zwischen den Temperaturen gibt, bedeutet das, dass Temperaturunterschiede sofort ausgeglichen werden. Damit beschreibt R=0 den Fall des vollständigen Wärmetransport.  

Betrachten wir jetzt den Fall R=1 aus Gleichung A1 folgt nun:

Tw4 = (1-Aw) L S0
4 σ
   
 
Dies ist die entgegengesetze Situation: Die Temperaturen können sich jetzt nicht mehr ausgleichen. Vielmehr ist es so, als existiere jede Population nur  für sich. Dieser Fall beschreibt den Fall ohne Wärmetransport. Damit liegt vollständige Isolation vor.  


Wenn der Parameter  R nun zwischen 0 ≤ R ≤ 1 variiert wird, haben wir eine Möglichkeit, den Wärmetransport des Planeten  vorzugeben.  In der Simulation setzen wir R=0.12, d.h. die verschiedenen Temperaturen werden relativ schnell einander angeglichen.

 
Leiten sie die Gleichung 7a  aus der Gleichung A1 her. Setzen Sie hierfür die Gl. (5) in die Gl. (A1) ein um formen sie um.

Eine Implementierung in Java

Wir fassen alle benötigten Parameter und Gleichungen noch einmal zusammen, bevor wir einen Algorithmus zur Modellierung von Daisyworld angeben.

Die verwendete Parameter und Gleichungen



 
 
Parameter Bedeutung Parameterbezeichnung in Java Typische Anfangswerte
A Albedo des Planeten A  wird berechnet
Ag Albedo der unbewachsenen Fläche Ag 0.5
Ab Albedo der schwarzen Gänseblumen Ab 0.25
Aw Albedo der weißen Gänseblumen Aw 0.75
αg Anteil der ungewachsenen Fläche (des Untergrundes) ag 0.8
αb Anteil (Population) der schwarzen Gänseblumen ab 0.1
αw Anteil (Population) der weißen Gänseblumen aw 0.1
T Temperatur des Planeten T  wird berechnet
Tw Temperatur der weißen Gänseblumen (w=white) Tw  wird berechnet
Tb Temperatur der schwarzen Gänseblumen (b=black) Tb  wird berechnet
Tg Temperatur der unbewachsenen Fläche (g=ground) Tg  wird berechnet
β(...) Wachstumsfaktor der weißen/schwarzen Blumen beta(...)  wird jeweils berechnet
γ Sterberate der Blumen gamma 0.3
L Kontrollfaktor um die Veränderung der Sonneneinstrahlung (S0) zu modellieren: 
0.6 ≤ L ≤ 1.65
L = 1.0 entspricht dem heutigen Wert für die Sonneneinstrahlung.
L 0.6
R Transportparamer
  (0 ≤ R ≤ 1),
 zur Modellierung des Wärmetransportes.
R=1  bedeutet vollständige Isolation
und R=0 bedeutet vollständiger Wärmetransport.
R 0.12
S0 Solarkonstante (für die Erde gilt  S0 = 1.367 kW/m2 wir verwenden hier einen höheren Wert. Für L=1 gilt dann in der Simulation S=3668 ) S 3668
σ Stefan Bolzmann Konstante σ=5.67032 · 10-8  W/( K4 m2) sigma 5.67032·10-8
  Tabelle 1:


   

 

Gleichungen (Temperaturen in Kelvin)
Planetarische Albedo A = αg Ag + αb Abw Aw (6) Die planetarische Albedo ist in etwa ein Mittelwert aus der Albedo der schwarzen und weißen Gänseblumen, sowie der Albedo Ag des unbewachsenen Untergrundes.
  Populationsgrößen    
Änderungsrate der weißen Gänseblümchen w/dt = αw (αgβ(Tw) - γ)
(1) Diese Gleichung beschreibt die Entwicklung der weißen Gänseblümchen
Änderungsrate der weißen Gänseblümchen b/dt = αb (αgβ(Tb) - γ) (2) Diese Gleichung beschreibt die Entwicklung der schwarzen Gänseblümchen
Anteil der unbewachsenen Fläche (des Untergrundes) αg = 1- αb  - αw   (3)  
  Wachstumsraten    
Wachstumsrate (weiße Blumen) β(Tw) =1 - 0.003265·(Tw - 295.5)2 (4a) Für die weißen Blumen wird Tw eingegeben: β(Tw) für
die schwarzen Blumen muss Tb verwendet werden: β(Tb
Wachstumsrate (schwarze Blumen) β(Tb) =1 - 0.003265·(Tb -          295.5)2 (4b)
  Temperaturen                                                           
Temperatur des Planeten (5)  
Temperatur der weißen Gänseblumen (7a)  
Temperatur der schwarzen Gänseblumen (7b)  
Termperatur der unbewachsenen Fläche __ (7c)  
  Tabelle 2    
       

 

 

 

 

Der Algorithmus

Step 1. Startwerte festlegen (Starte mit L=0.6 - dieser Parameter regelt die Sonneneinstrahlung).
Step 2. Berechne die Albedo des Planeten A
Step 3. Berechne sämtliche Temperaturen:
  • Berechne die Temperatur des Planeten T
  • Berechne die Temperaturen der weißen Tw Blumen.
  • Berechne die Temperaturen der schwarzen Tw Blumen.
  • Berechne die Temperatur der unbewachsenen Fläche Tg.
Step 4. Berechne die Wachstumsrate β der weißen Gänseblumen.
Berechne die Wachstumsrate β der schwarzen Gänseblumen.
Step 5. Berechne αw den neuen Anteil der weißen Gänseblumen.
Berechne αb den neuen Anteil der schwarzen Gänseblumen.
Berechne αg den neuen Anteil der unbewachsenen Fläche.
Hinweis: Es gilt αw + αbg = 1. Falls eine Gänseblumenart < 0.01 ist (αb  < 0.01 oder αw < 0.01), wird sie zurück auf 0.01 gesetzt.
Step 6. Wiederhole von Step 2., solange bis die Populationsgrößen (Flächenanteile) αw und αb konvergieren. Oder eine bestimmte Schrittzahl erreicht wurde.
Step 7. Zeichne die neuen Anteile αw und αb in Abhängigkeit der Sonneneinstrahlung in ein Koordinatensystem.
Alternativ kann auch die Temperatur des Planeten in Abhängigkeit der Sonneneinstrahlung in ein Koordinatensystem eingetragen werden. Zum Vergleich sollte dann auch die Temperatur des Planeten ohne Leben eingetragen werden.
Step 8. Erhöhe L und wiederhole von Step 2. um die nächsten Wertepaare zu erhalten.

Die Änderungen von αw und αb werden durch Differentialgleichungen beschrieben, dies muss in der Numerik gesondert berücksichtigt werden. Wir verwenden den Euler-Algorithmus zur numerischen Lösung der Differentialgleichungen mit einer Schrittweite (timeStep) Δt = 0.01 und 1000 Iterationen (Step 6). Step 6 bedeutet ferner, dass das System jeweils genügend Zeit hat, sich in einem stabilen Systemzustand zu entwickeln, bevor L inkrementiert wird.  Zu beachten ist auch, dass die Werte  αund  αnur einmal am Anfang initialisiert werden und dann über die gesamte Simulation nicht mehr verändert werden. Lovelock und Watson setzten αund  αb gleich 0.01, wenn diese Größen einen Wert unter 0.01 annehmen bevor es mit Step 2 weitergeht, das machen wir natürlich auch so. Der Algorithmus ist robust, d.h. initialisiert man z.B. das System neu bevor man jeweils mit Step 2 beginnt, dann ändert sich die Dynamik nicht grundsätzlich, allerdings hängt sie dann wesentlich stärker von den Populationsgrößen ab.  Die Modellvariante, bei dem die Populationen nicht immer neu initialisiert werden, ist die realistischere Variante. Eine Java Bibliothek Daisyworld  (inkl. Sourcecode) steht im Aufgabenteil zur Verfügung. Die Abbildungen 1 und 2 wurden mit dieser Java-Klasse und dem freien Tool xmgrace erstellt.

Lesetipps

     
Das Original von James Lovelock. Diesen Buch bietet einen unterhaltenden und informativen Einstieg in das Thema. ...für diejenigen die es ganz genau wissen wollen hier der englische Artikel, indem die Daisyworld genau beschrieben wird.
     
     
Dieses interessante  Modell  hat noch nicht ausgedient. Hier eine Liste mit Folgeartikeln, die aufbauend auf dem einfachen 'Daisywold' Modell viele weitere Aspekte der theoretischen Ökologie behandeln:
  • Ackland (2004)
  • Ackland et al (2003)
  • Akagi 2006
  • Adams et al (2003)
  • Andrew (1996)
  • Andrew (1997)
  • Baldocchi et al (2005)
  • Cohen & Rich (2000)
  • Dagg (2002)
  • Dewar (2003)
  • Dewar (2003b)
  • Dewar (2005)
  • Dewar (2005b)
  • Downing (2002)
  • Downing & Zvirinsky (2000)
  • Dyke & Harvey (2005)
  • Dyke & Harvey (2005b)
  • Franck et al (2000)
  • Harding & Lovelock (1996)
  • Harvey (2004)
  • Jascourt & Raymond (1991)
  • Kleidon (2004)
  • Koelsag et al (1999)
  • Lansing et al (1998)
  • Lapenis (2002)
  • Lenton (1998)
  • Lenton (2002)
  • Lenton & Lovelock (2000)
  • Lenton & Lovelock (2001)
  • Lenton & van Oijen (2002)
  • Lenton & Wilkinson (2003)
  • Lovelock (1992)
  • McCormack(2003)
  • Nature (2005)
  • Nevinson et al (1999)
  • Pujol (2002)
  • Pujol et al (2005)
  • Robertson & Robinson (1998)
  • Saunders (1994)
  • Saunders (1998)
  • Saunders et al (2000)
  • Seto & Akagi (2005)
  • Staley (2002)
  • Stocker (1995)
  • Sugimoto (2002)
  • Toniazzo et al (2004)
  • Von Bloh (1997)
  • Von Bloh (1999)
  • Weber (2001)
  • Wilkinson (2003)
  • Williams & Nobel (2005)
  • Zeng (1990)